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Geplante Erbrechtsreform: Was könnte sich ändern?

Autoren: Martin Boos, Lucas Maurer

Im 2016 hat der Bundesrat einen Vorentwurf für das über 100-jährige Erbrecht in die zwischenzeitlich abgeschlossene Vernehmlassung geschickt. Das Hauptanliegen der Revision bildet die Reduktion der Pflichtteile, welche sich durch die veränderten Familienverhältnisses begründet. Neben der Reduktion der Pflichtteile sieht der Vorschlag die Einführung eines Unterhaltsvermächtnisses, einen besseren Schutz vor Erbschleicherei, die Stärkung der Informationsrechte der Erben sowie die Einführung des Video-Nottestaments vor. Der Bundesrat möchte die Botschaft zum neuen Erbrecht im 2017 verabschieden und über die geplanten neuen Bestimmungen im Erbrecht informieren. Danach liegt es am Nationalrat und Ständerat, darüber zu debattieren.

1. Reduktion der Pflichtteile der gesetzlichen Erben

Beim Ableben einer Person sieht der Vorentwurf für bestimmte Personen einen Anteil an der Erbschaft vor. Konkret steht dem überlebenden Ehegatten, den Nachkommen oder den Eltern einer verstorbenen Person (Erblasser) ein unentziehbarer Anteil, eine bestimmte Quote, an der Erbschaft zu. Dieser sogenannte Pflichtteil beruht auf dem Gedanken der Sicherung der Vorsorge der Familie. Aufgrund der Pflichtteile ist ein beträchtlicher Anteil der Erbschaft gebunden und damit der Verfügungsfreiheit des Erblassers entzogen. Möchte ein Erblasser über sein Vermögen in einem Testament oder Erbvertrag verfügen, sind stets die Pflichtteile der Erben zu berücksichtigen. Neben dem Pflichtteil besteht eine Erbschaft aus der sogenannten frei verfügbaren Quote. Über die frei verfügbare Quote kann der Erblasser in einem Testament oder Erbvertrag nach seinem Belieben verfügen. 

Mit der geplanten Erbrechtsreform möchte der Bundesrat unter anderem die Pflichtteile für Nachkommen und Ehepartner reduzieren, um dem Erblasser einen grösseren Anteil zur freien Verfügung zu überlassen. Der Pflichtteil der Eltern soll ganz aufgehoben werden. Wenn ein Erblasser einen Ehegatten und Nachkommen hinterlässt, soll dem überlebenden Ehegatten gegenüber den Nachkommen neu ein Achtel an der Erbschaft als Pflichtteil zustehen, während die Nachkommen mit zwei Achteln als Pflichtteil an der Erbschaft partizipieren sollen. Die frei verfügbare Quote des Erblassers, über die er nach Belieben     verfügen kann, erhöht sich von bisher drei Achteln (37.5%) auf neu fünf Achtel (62.5%). Der Erblasser kann eine im Einzelfall angemessene Lösung treffen und etwa dem überlebenden Ehegatten, dem faktischen Lebenspartner oder dem Stiefkind Vermögenswerte zuwenden. Die Erhöhung der frei verfügbaren Quote hat auch eine Erleichterung bei der Unternehmensnachfolge vom Familienunternehmen zur Folge. In vielen Fällen wird es dem Erblasser ermöglicht, seinem Nachfolger die Mehrheit der Unternehmensanteile zu vermachen, ohne die Pflichtteile weiterer Erben zu verletzen.      

2. Was gilt es bei Testament und Erbvertrag bereits heute zu beachten?

Im Vordergrund dieser Reform steht die Stärkung der Entscheidungsfreiheit des Erblassers. Durch die Erhöhung der frei verfügbaren Quote wird die Entscheidungsfreiheit des Erblassers erweitert und der Erblasser kann durch entsprechende Anordnung in Testament oder Erbvertrag über sein Vermögen verfügen. 

Da der genaue Entscheid des Parlaments hinsichtlich der Durchführung der Erbrechtsreform noch offen ist, können die Auswirkungen auf heutige Testamente und Erbverträge noch nicht detailliert beurteilt werden. Bei einer Änderung des Pflichtteilsrechts stellt sich aber insbesondere die Frage, wie früher verfasste Testamente und Erbverträge nach der geplanten Revision zu interpretieren sind. Grundsätzlich gilt, dass auf Todesfälle, welche sich unter dem neuen Erbrecht ereignen, die neuen Vorschriften zur Anwendung gelangen. Nach dem neuen Erbrecht sollen jedoch früher verfasste Testamente und Erbverträge davon nicht betroffen sein. 

Je nach Formulierung in früher verfassten Testamenten oder Erbverträgen können sich heikle Auslegungsfragen hinsichtlich der Pflichtteilsquoten ergeben. Dies kann der Fall sein, wenn der Erblasser in einem Testament eine starre Quote in Prozenten oder Bruchteilen angibt. Kommt es zur Revision des Pflichtteilsrechts, so stimmen die entsprechenden Angaben in den Testamenten nicht mehr und es kann zu entsprechende Unklarheiten und allenfalls Gerichtsprozessen kommen. Es empfiehlt sich daher, eine abstrakte Formulierung der Pflichtteile in einem Testament zu verwenden, welche sich bei einer möglichen Revision des Pflichtteilsrechts automatisch an die neuen Vorschriften anpassen.      

3. Einführung eines Unterhaltsvermächtnisses

Die Vorlage des Bundesrats sieht weiter die Einführung eines Unterhaltsvermächtnisses vor. Danach soll der überlebende Lebenspartner, der mit dem Erblasser mindestens drei Jahre in einer festen Beziehung zusammengelebt hat und den Erblasser durch Pflege oder finanziell unterstützt hat, einen Anspruch auf einen Teil des Vermögens haben. Gleiches soll für Stiefkinder gelten, wenn sie mindestens fünf Jahre gemeinsam im Haushalt des Verstorbenen zusammengelebt haben und finanziell unterstützt wurden. Diese Neuregelung will verhindern, dass Personen, welche vom Erblasser wirtschaftlich abhängig waren, bei dessen Ableben in eine finanzielle Notlage geraten. Die Ausrichtung eines Unterhaltsvermächtnisses muss aber für die gesetzlichen Erben (überlebender Ehegatte, Nachkommen) aufgrund ihrer finanziellen Lage und der Höhe des Nachlasses zumutbar sein. Um das Unterhaltsvermächtnis geltend zu machen, müssen der Lebenspartner und das Stiefkind beim Gericht eine entsprechende Klage innert drei Monaten seit Kenntnis des Ablebens des Erblassers einreichen. Dieser Vorschlag ist umstritten und zweifelhaft.          

4. Schutz vor Erbschleicherei?

Die Vorlage des Bundesrats möchte als weiteres Anliegen das Risiko der Erbschleicherei verringern. Der Erblasser soll maximal nur noch ein Viertel seines Nachlasses an Personen, die in Ausübung ihrer beruflichen Funktion in einem Vertrauensverhältnis zum Erblasser stehen, vererben können. Im Visier dieser Neuregelung steht nicht eine bestimmte Berufsgruppe, sondern generell Berufe mit einer engen Beziehung oder Vertrauensverhältnis zum Erblasser (z.B. Pflegepersonal oder Hausangestellte).      

5. Stärkung der Informationsrechte der Erben

Nach dem Tod des Erblassers müssen sich die Erben gegenseitig über sämtliche Tatsachen informieren, welche sich auf die Höhe und Teilung des Nachlasses auswirken. Die Informationspflicht gilt heute lediglich abgeleitet auch für Dritte, welche Vermögenswerte des Erblassers verwalten, besitzen oder erhalten haben wie etwa Banken, Vermögensverwalter oder Trustees. Der Bundesrat möchte nun auch diese Informationspflicht von Dritten gegenüber den Erben ausdrücklich im Gesetz regeln.      

6. Video-Nottestament

Wer sich in unmittelbarer Todesgefahr befindet, kann seinen letzten Willen als mündliches Nottestament vor zwei Zeugen erklären. Die Vorlage des Bundesrats sieht nun vor, dass in solchen Situationen der letzte Wille auch per Video (etwa mittels Smartphone) ohne Zeugen aufgezeichnet werden kann. 

Gerne stehen wir von AMATIN Rechtsanwälte Ihnen für die Formulierung und Ausarbeitung von Testamenten und Erbverträgen sowie weiteren Fragen zur Erbrechtsrevision zur Verfügung. 

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