Die wirtschaftlichen Gründe, die eine Veränderung im Personalbestand erfordern, sind vielschichtig. Zum Schutz der Arbeitnehmer wurden durch den Gesetzgeber verschiedene Mindestanforderungen definiert, die es durch Arbeitgebende im Falle von grösseren Restrukturierungen zu beachten gilt. Der nachfolgende Beitrag fasst die Mindestanforderungen zusammen und enthält Empfehlungen für einen sozialverantwortlichen Umgang im Rahmen von Massenentlassungen.
Was bedeutet Massenentlassung?
Die Begriffe, die von Arbeitgebern für geplante Massenentlassungen verwendet werden, reichen von “Restrukturierung”, “Reorganisation”, “operative Veränderungen” bis zu “Transformation”. Sobald die Voraussetzungen nach dem schweizerischen Obligationenrecht einer Massenentlassung als erfüllt betrachtet werden müssen, spricht man formell von einer Massenentlassung.
Eine Massenentlassung liegt vor, wenn eine bestimmte Anzahl von Kündigungen, die vom Arbeitgeber ausgehen und in keinem Zusammenhang mit der Person des Arbeitnehmers stehen, in einem Betrieb oder Betriebsteil und in Abhängigkeit der Betriebsgrösse innert eines Zeitraums von 30 Tagen ausgesprochen werden.
Kündigung durch den Arbeitgeber
Bei der Bestimmung der bestimmten Anzahl von Kündigungen geht es darum, nur effektive Kündigungen durch den Arbeitgeber zu berücksichtigen. Nicht mitgezählt werden beispielsweise Aufhebungsvereinbarungen oder die Beendigung von Temporärverträgen durch ordentlichen Ablauf der Vertragsdauer. Frühzeitige Kündigungen von Temporärverträgen zählen dagegen dazu.
Kein Zusammenhang mit der Person des Arbeitnehmers
Bei dieser Voraussetzung geht es darum, diejenigen Kündigungen nicht mitzuzählen, die z.B. Verhaltenskündigungen darstellen oder aufgrund von Langzeiterkrankungen ausgesprochen werden.
Definition des Betriebs
Die Definition des Betriebs in einem Unternehmen ist nicht immer einfach. Formaljuristisch gesprochen handelt es sich um eine organisierte Struktur, die mit Personal, materiellen und immateriellen Mitteln ausgestattet ist, die es ermöglichen, die Arbeitsziele zu erreichen. Wenn ein Arbeitgeber mehrere Betriebe hat, die Teil desselben Unternehmens sind, wird das Vorliegen einer möglichen Massenentlassung in jedem einzelnen Betrieb und nicht auf Unternehmensebene bestimmt.
Periode von 30 Tagen
Der Wortlaut des Gesetzes spricht von “innerhalb von 30 Tagen ausgesprochen werden”, was bedeutet, dass der Beginn der Periode von 30 Tagen vom Zeitpunkt der Aussprache der Kündigungen ausgeht und der Zeitpunkt des Empfangs oder das Ende des Arbeitsverhältnisses irrelevant ist.
Andererseits können verschiedene Gründe zu einer zeitlichen Staffelung der Aussprache von Kündigung führen. Um nicht mit dem Vorwurf der Gesetzesumgehung konfrontiert zu werden, sollten Arbeitgeber, selbst wenn es legitime Gründe für eine mögliche Staffelung der Kündigungen gibt, davon ausgehen, dass die Schwelle für eine Massenentlassung erreicht ist, wenn die geplanten Kündigungen die gesetzlichen Schwellenwerte erreichen. Ein weiterer Grund für die vorsichtige Handhabung ist auch, dass sich noch während oder nach Konsultationen Veränderungen am geplanten Zeitplan ergeben können sowie die Vermeidung von möglichen Reputationsschäden.
Schwellenwert je nach Betriebsgrösse
Folgende Schwellenwerte gilt es zu beachten, wobei Teilzeitangestellte und temporäre Mitarbeiter mitzuzählen sind:
Mindestens 10 Kündigungen innerhalb eines Betriebs von 20-99 Arbeitnehmern,
Mindestens 10% der Arbeitnehmer eines Betriebs,
Mindestens 30 Kündigungen in Betrieben mit 300 Arbeitnehmern und mehr.
Welche Schritte gilt es bei einer geplanten Restrukturierung zu beachten?
Konsultationspflicht
Sobald Arbeitgebende beabsichtigen, eine Massenentlassung vorzunehmen, haben diese die Arbeitnehmervertretung, oder falls es keine solche gibt, die Arbeitnehmer zu konsultieren. Unter Konsultation versteht man, den Arbeitnehmern resp. deren Vertretung die Möglichkeit zu geben, Vorschläge zu unterbreiten, wie Kündigungen vermieden oder deren Anzahl beschränkt sowie ihre Folgen gemildert werden können. Den Arbeitnehmern resp. deren Vertretung ist somit vor dem definitiven Entscheid betreffend die Massenentlassung Gelegenheit zur Stellungnahme zu gewähren. Arbeitgeber müssen hierfür der Arbeitnehmervertretung oder falls es keine solche gibt, den Arbeitnehmern alle zweckdienliche Auskünfte erteilen und ihnen auf jeden Fall schriftlich mitteilen:
Die Gründe der Massenentlassung.
Die Zahl der Arbeitnehmer, denen gekündigt werden soll.
Die Zahl der in der Regel beschäftigten Arbeitnehmer sowie
Den Zeitraum, in dem die Kündigungen ausgesprochen werden sollen.
Pflicht zur Mitteilung der Behörden zu Beginn und bei Abschluss des Konsultationsverfahrens
Der Arbeitgeber hat dem kantonalen Arbeitsamt jede beabsichtigte Massenentlassung schriftlich durch Zustellung einer Kopie der Mitteilung, welche an die Arbeitnehmer resp. deren Vertretung zu Beginn der Konsultation geht, zuzustellen. Die schriftliche Mitteilung muss die zweckdienlichen Auskünfte wie oben dargelegt enthalten.
Nach erfolgter Konsultation ist der Arbeitnehmervertretung oder, falls es keine solche gibt, den Arbeitnehmern, der Entscheid unter Würdigung der erfolgten Konsultation mitzuteilen. Zudem muss der Arbeitgeber die Ergebnisse der Konsultation der Arbeitnehmervertretung wiederum dem kantonalen Arbeitsamt schriftlich mitteilen. Die schriftliche Anzeige an das kantonale Arbeitsamt muss die Ergebnisse der Konsultation der Arbeitnehmervertretung und alle zweckdienlichen Angaben über die beabsichtigte Massenentlassung enthalten. Sie muss ferner vor Aussprache der Kündigungen erfolgen und die betroffenen Arbeitsverhältnisse enden frühestens 30 Tage nach der Anzeige der beabsichtigten Massenentlassung an das kantonale Arbeitsamt, ausser wenn die Kündigung nach den vertraglichen oder gesetzlichen Bestimmungen auf einen späteren Termin wirksam wird.
Sorgfältige Planung
Es empfiehlt sich im Voraus einen genauen Zeitplan betreffend die einzelnen Aspekte der geplanten Umsetzungsschritte festzulegen, um die vorgenannten rechtlichen Abläufe einzuhalten. Je nach Komplexität und Vorwissen der Arbeitnehmerschaft resp. Arbeitnehmervertretung kann die Konsultationsphase zwischen 6-8 Wochen, manchmal auch länger, dauern. Zudem gilt es durch den Arbeitgeber festzulegen, wann an wen (intern und extern) welche Information geteilt werden unter Berücksichtigung der Geheimhaltungsinteressen des Arbeitgebers einerseits und dem Interesse an einer transparenten, sozialverantwortlichen Kommunikation gegenüber Arbeitnehmern resp. Arbeitnehmervertretern, welche letztlich das Vertrauensverhältnis der Parteien stärkt. Unternehmen, die an der SIX Swiss Exchange gelistet sind, haben zusätzlich die Regeln der SIX Richtlinie zur Ad Hoc-Publizität zu beachten. Ereignisse (u.U. sehr grosse Reorganisationen), die den Kurs einer Aktie über die üblichen Schwankungen hinaus beeinflussen könnten, müssen von börsennotierten Unternehmen unverzüglich und klar gemäss den Regeln der SIX (z.B. wird in den SIX-Regeln festgehalten, wann genau die Ad-hoc Meldung ansteht) mitgeteilt werden.