Arzneimittelmuster: Ist die Abgabe von kostenlosen Musterpackungen legal?

Die kostenlose Abgabe von Arzneimittelmustern durch pharmazeutische Unternehmen an Fachpersonen kann es diesen ermöglichen, sich mit diesen Arzneimitteln vertraut zu machen und Erfahrungen mit ihrer Verwendung in der Praxis zu sammeln. Muster von Arzneimitteln dienen der Information der Angehörigen der Gesundheitsberufe und können eine Werbefunktion haben. Es besteht jedoch ein hohes Risiko, dass Musterpackungen von Arzneimitteln dazu verwendet werden, die Fachpersonen unangemessen zu beeinflussen. Aus diesem Grund stellen viele Länder strenge Anforderungen an die Abgabe von Ärztemustern an Fachpersonen, während einige Länder sogar die Entnahme von Arzneimittelproben als solche verbieten. Gleichzeitig erlauben einige Länder die Abgabe von Arzneimittelproben an die breite Öffentlichkeit (Patienten) unter bestimmten Bedingungen.
In der Europäischen Union wird die Abgabe von Arzneimittelmuster als eine Art der Arzneimittelwerbung angesehen.
Gemäss den EU-Rechtsvorschriften (insbesondere der EU-Richtlinie 2001/83/EG) dürfen kostenlose Musterpackungen nur in Ausnahmefällen an Personen abgegeben werden, die zur Verschreibung von Arzneimitteln berechtigt sind, wenn eine Reihe von Bedingungen erfüllt ist, z. B.: Die Anzahl der Muster für jedes verschreibungspflichtige Arzneimittel pro Jahr ist begrenzt; die Abgabe von Mustern erfolgt auf schriftlichen, datierten und unterzeichneten Antrag des Verordners usw. In jedem Fall dürfen keine Muster von Arzneimitteln abgegeben werden, die psychotrope oder narkotische Substanzen enthalten. Die EU-Mitgliedstaaten können die Abgabe von Mustern bestimmter Arzneimittel noch weiter einschränken.
Nach der EU-Gerichtspraxis (insbesondere dem Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Union vom 11. Juni 2020) ist es Pharmaunternehmen untersagt, Apothekern kostenlos Muster von verschreibungspflichtigen Arzneimitteln zur Verfügung zu stellen. Somit dürfen nur Ärzte Probepackungen von Rx-Arzneimitteln erhalten. Dies schliesst jedoch nicht aus, dass Apotheker kostenlose Muster von nicht verschreibungspflichtigen Arzneimitteln (OTC) erhalten.
Gemäss dem Verhaltenskodex des Europäischen Verbands der Pharmazeutischen Industrie und ihrer Verbände (EFPIA) darf jeder Angehörige der Gesundheitsberufe pro Jahr nicht mehr als vier Arzneimittelmuster eines bestimmten neuen Arzneimittels erhalten, das er/sie innerhalb von zwei Jahren nach der ersten Anforderung solcher Muster verschreiben darf (d. h. die „4×2“-Norm). Der EFPIA-Kodex enthält eine Reihe von Regeln, um festzustellen, ob ein bestimmtes Arzneimittel als neu anzusehen ist oder nicht, sowie Anforderungen an die Anforderung von Ärzten des Gesundheitswesens für medizinische Proben.
Darüber hinaus darf jedes Muster eines Arzneimittels nicht grösser sein als die kleinste Aufmachung des betreffenden Arzneimittels in dem betreffenden Land. Jedes dieser Muster muss mit der Aufschrift „Kostenloses medizinisches Muster – nicht zum Verkauf“ (oder einer ähnlichen Formulierung) versehen sein, und ihm muss eine Kopie der Zusammenfassung der Produktmerkmale beigefügt sein.
Darüber hinaus müssen die Unternehmen über ein angemessenes Kontrollsystem verfügen und Rechenschaft über die von ihnen verteilten Arzneimittelmuster sowie über alle Arzneimittel ablegen, die von ihren medizinischen Vertriebsmitarbeitern vertrieben werden. In diesem System muss auch für jeden Fachpersonen die Zahl der abgegebenen Arzneimittelmuster eindeutig festgelegt sein.
In jedem Fall ist es verboten, Arzneimittelmuster als Anreiz für die Empfehlung und/oder Verschreibung, den Kauf, die Lieferung, den Verkauf oder die Verabreichung bestimmter Arzneimittel abzugeben. Ausserdem dürfen Arzneimittelproben nicht ausschliesslich zum Zweck der Behandlung von Patienten abgegeben werden. Schliesslich ist die Abgabe von Arzneimittelmustern, die psychotrope Stoffe oder Betäubungsmittel enthalten, verboten.
Ähnlich wie in Europa wird die Abgabe von Gratismustern von Arzneimitteln in der Schweiz als eine Art der Arzneimittelwerbung betrachtet. In unserem Blog Publikumswerbung und Fachwerbung für Arzneimittel haben wir die allgemeinen Anforderungen der Schweiz an die Werbung für Arzneimittel in der Öffentlichkeit und bei Fachpersonen beschrieben.
Sowohl die schweizerische Gesetzgebung als auch der Verhaltenskodex der Schweizer Selbstregulierung (der so genannte Pharmakodex) sehen eine Reihe spezifischer Anforderungen für die Probenahme von Arzneimitteln vor. So unterscheiden sich beispielsweise die Vorschriften für das Sampling von Arzneimitteln als eine Art von Werbung, die sich an Fachpersonen richtet, von denen für die Abgabe von Arzneimittelmustern an die breite Öffentlichkeit.
Insbesondere dürfen Muster von Arzneimitteln, die für Fachpersonen bestimmt sind, nur in geringen Mengen pro Arzneimittel, pro Jahr und pro Fachperson abgegeben werden. Sie dürfen nur auf Initiative der Angehörigen der Gesundheitsberufe und auf deren schriftlichen Antrag hin abgegeben werden. Die Musterpackung muss der kleinsten zugelassenen Packungsgrösse entsprechen und deutlich und dauerhaft als „kostenloses Muster“ gekennzeichnet sein. Sie muss die erforderlichen Informationen und Texte auf dem Behältnis und dem Verpackungsmaterial sowie eine zugelassene Packungsbeilage enthalten. Der Musterpackung muss die zuletzt von Swissmedic genehmigte Arzneimittelinformation oder ein entsprechender Hinweis auf deren Veröffentlichung beigefügt sein. Die Abgabe von Mustern darf nicht als Anreiz dienen, ein bestimmtes Arzneimittel zu empfehlen, zu verschreiben, zu erwerben, zu liefern, zu verkaufen oder zu verabreichen. Die Unternehmen müssen sicherstellen, dass alle notwendigen Aufzeichnungen über die Abgabe von Musterpackungen von Arzneimitteln geführt werden.
Nach den schweizerischen Rechtsvorschriften können in bestimmten Fällen Arzneimittelproben auch als eine Art öffentlicher Werbung für die breite Öffentlichkeit (d. h. Patienten) verwendet werden, sofern eine Reihe von Anforderungen erfüllt sind. In diesen Fällen dürfen Muster von Arzneimitteln für die Öffentlichkeit nur unentgeltlich abgegeben werden und müssen deutlich sichtbar und dauerhaft als „Gratismuster“ gekennzeichnet sein. Sie müssen den Anforderungen von Swissmedic an die Informationen und Texte auf den Packungen entsprechen. Solche Muster von Arzneimitteln dürfen nicht mehr als eine empfohlene Tagesdosis enthalten. Zudem dürfen Muster bestimmter Arzneimittelkategorien nicht zur Selbstbedienung angeboten werden und nur über entsprechende Abgabestellen an die Öffentlichkeit abgegeben werden.
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